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Lerntests statt Lesen

Kurz vor Prüfungen, besonders wenn die dafür zur Verfügung stehende Zeit knapp ist, wird der Lernstoff von SchülerInnen und StudentInnen häufig in kurzen Abständen wiederholt gelesen, um den Stoff doch noch in den Kopf hineinzubekommen. Problematisch ist das nicht nur deshalb, weil sowohl das geballte Lernen als auch das wiederholte Durchlesen der Unterlagen keine brauchbaren Strategien darstellen, sondern weil ein Wissen, das auf diese Weise scheinbar gelernt wird, auch sehr schnell wieder vergessen wird. In der Kognitionspsychologie gibt es aber Lernstrategien, die das langfristige Behalten von Wissen begünstigen, etwa Lerntests. Normalerweise werden Tests dafür verwendet, um Schülerleistungen zu bewerten bzw. festzustellen, wieviel die oder der Lernende zu einem Thema gelernt hat. Üblicherweise decken solche Tests den Lernstoff ab, da sie erst nach einer gewissen Zeit, etwa wenn ein Thema abgeschlossen ist, oder am Ende des Semesters gestellt werden. Doch sind Tests aber eine der besten Lernmethoden für langfristigen Lernerfolg, die zu besserem Behalten von Wissen als ein wiederholtes Lesen derselben Information führen.

Roediger und Karpicke (2005) untersuchten den Vergleich der Studiertechniken „Testen vs. erneutes Durcharbeiten (Lesen)“ anhand kurzer, ca. 250 Worte umfassender wissenschaftlichen Prosatexte, die insgesamt jeweils 30 prüfungsrelevante Aussagen beinhalteten. Alle Probanden studierten zunächst den Text ca. 5 Minuten lang. Dann folgte 2 Minuten lang die Bearbeitung von Multiplikationsaufgaben, vermutlich, um die Studenten daran zu hindern, Teile des Textes im Kurzzeitgedächtnis zu behalten. In der folgenden Testbedingung sollten die Studenten in Form eines Essay-tests 5 Minuten lang so viel Information aufschreiben, wie sie von der zuvor studierten Passage behalten hatten. In der Kontrollbedingung war stattdesssen der Lehrtext erneut sooft zu studieren (bzw. durchzulesen) bis die dafür vorgesehene Zeit von 5 Minuten beendet war (= Within – subject-factor: Studierbedingung). Danach standen erneut 2 Minuten Multiplikationsaufgaben an. Als Behaltenskriterium diente der Essaytest (free recall), der je nach Bedingung des between-subject-factors „Behaltensintervall“ entweder 5 Minuten nach dem Lernexperiment, 2 Tage später oder erst nach einer Woche stattfand. Als entscheidendes Ergebnis zeigte sich eine sehr deutliche Interaktion zwischen Studierbedingung und dem Zeitintervall bis zur Lernerfolgskontrolle. Ein erneutes Studieren des Textes führte unmittelbar danach zu einem signifikant höheren Behaltenserfolg im Vergleich zum Testen des Lerninhaltes. Bereits nach 2 Tagen hatte sich der Behaltensvorteil zugunsten des Tests umgedreht und nach einer Woche noch etwas ausgedehnt. Da im Mittel mit wachsendem Zeitintervall die Behaltensleistungen abnahmen, lassen sich die Ergebnisse besser dahingehend interpretieren: „Im Vergleich zu erneutem Studieren vermindert Testen das Vergessen“ (Stangl, 2019).

Siehe auch die Lerntechnik Fragenstellen.


Literatur

Roediger, H. L. & Karpicke, J.D.(2006). Test-Enhanced Learning: Taking Memory Tests. Improves Long-Term Retention. Psychological Science, 17, 249-255.
Stangl, W. (2019). Lernstrategien – Lerntypen – Lernstile. [werner stangl]s arbeitsblätter.
WWW: https://www.stangl-taller.at/ARBEITSBLAETTER/LERNEN/Lernstrategien.shtml (2019-03-26)