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Umlernen wird durch die hohe Plastizität des menschlichen Gehirns ermöglicht

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Plastizität des Gehirns Menschen und Tiere müssen in der Lage sein, sich schnell an veränderte Umweltbedingungen anzupassen, wobei die Grundlage für diese Fähigkeit die Plastizität des Gehirns darstellt, doch sind die biologischen Prozesse, die diese Leistungen ermöglichen, noch nicht vollständig aufgeklärt. Adaptives Verhalten hängt also entscheidend von einer flexiblen Entscheidungsfindung ab, die sich bei Säugetieren auf den frontalen Cortex, insbesondere den orbitofrontalen Cortex stützt. Banerjee et al. (2020) haben für am Kopf fixierten Mäusen eine Umkehr-Lernaufgabe entwickelt, und dabei die Aktivität von Neuronen des lateralen orbitofrontalen Cortex mittels Zwei-Photonen-Kalzium-Bildgebung überwacht und untersucht, wie der orbitofrontale Cortex dynamisch mit dem primären somatosensorischen Cortex interagiert. Die Mäuse lernten, nach einer Berührung ihrer Tasthaare mit grobkörnigem Sandpapier zu schlecken, was zu einer Belohnung mit Zuckerwasser führte. Bei Berührung mit feinkörnigem Sandpapier hingegen durften sie nicht schlecken, sonst dies löste ein unangenehmes Geräusch aus. Hatten die Mäuse dies gelernt, gab es nun die Belohnung bei feinkörnigem und nicht bei grobkörnigem Sandpapier. Es zeigte sich, dass die Tiere dieses neue, gegenteilige Verhaltensmuster schon nach nur kurzer Übung erlernten. Es zeigte sich, dass eine Gruppe von Hirnzellen des orbitofrontalen Cortex während des Umlernens besonders aktiv war, wobei diese Zellen lange Fortsätze haben, die bis in das Areal der sensorischen Nervenzellen reichen, die bei Mäusen Tastreize verarbeiten. In diesem Areal folgten die Zellen zunächst dem alten Aktivitätsmuster, ein Teil passte sich dann allerdings der neuen Situation an. Wurden die betreffenden Hirnzellen des orbitofrontalen Cortex gezielt ausgeschaltet, so funktionierte das Umlernen nicht und die Nervenzellen im sensorischen Areal zeigten keine Anpassung ihrer Aktivität, was bedeutet, dass eine direkte Verbindung vom orbitofrontalen Cortex zu sensorischen Hirnarealen besteht, und dass dort ein Teil der Nervenzellen umgepolt wird. Die Plastizität dieser Zellen und die Instruktion durch die höhere Instanz des orbitofrontalen Cortex scheinen für die Flexibilität des Verhaltens und die Möglichkeit, sich auf neue Situationen einzustellen, entscheidend zu sein. Dabei handelt es sich vermutlich um einen fundamentalen Prozess, der sich in ähnlicher Weise auch im menschlichen Gehirn abspielen dürfte.

Literatur

Banerjee, Abhishek, Parente, Giuseppe, Teutsch, Jasper, Lewis, Christopher, Voigt, Fabian F. & Helmchen, Fritjof (2020). Value-guided remapping of sensory cortex by lateral orbitofrontal cortex. Nature, 585, 245-250.